Die Röchte-Telefonate (9)

Es ist gelungen, den mittelwestfälischen Autor Antonius Röchte für eine Reihe von Telefoninterviews zu gewinnen. Sie werden hier in loser Folge veröffentlicht.

 

jojo: Tag, Herr Röchte, wir hatten ein Interview vereinbart. Passt es grad?

Antonius Röchte: Nein, aber legen sie los.

Können wir heute über Fußball reden?

Meinetwegen. Wurde ja auch mal Zeit.

Sie sind BVB-Fan. Waren sie schon im Stadion?

In dieser Saison? Nein, war ich nicht. Hatte aber rein zeitliche Gründe.

Sie betonen das jetzt so. Hätte es denn andere Gründe geben können?

Sie wollen auf die ganze Transfer-Scheiße hinaus, oder? Keine echte Liebe mehr, Dembélé, Spieler-Poker bis zur letzten Minute. Sorry, da sind sie bei mir falsch.

Aber man hört aus Fankreisen schon eine gewisse Verärgerung. Dachte sie, als ein sich links gerierender Autor, würden die Kritik am Verein teilen.

Sind wir schon wieder bei Kapitalismuskritik? Nein, sehen sie, wenn man Profifußball als Sport betrachtet, ist diese Kritik berechtigt. Aber Profifußball ist kein Sport.

Sondern?

Profifußball ist ein Teil der Massenkultur, der Popkultur; nennen sie es, wie sie wollen. Und die ist durch und durch kapitalistisch.

Das müssen sie mir jetzt aber erklären. Warum genau ist Profifußball kein Sport?

Sport ist nach meinem Verständnis Wettbewerb nach Regeln. Die Regeln sorgen dafür, dass die Voraussetzungen für alle Beteiligten gleich sind und es letztlich nur auf die Fitness, Kraft, Intelligenz, Ausdauer etc. des Einzelnen oder meinetwegen auch einer Mannschaft ankommt. Regeln sind da, damit alle unter den gleichen Voraussetzungen starten. Nun kann man natürlich sagen, Profisport findet nicht nur auf dem Rasen, beim Spiel oder im Training statt, sondern auch in der Welt der Manager, der Spielervermittler, der Scouts, der Fanbetreuer, der Pressemenschen etc. Der Verein als Ganzes ist der Player, nicht nur die Mannschaft. Gespielt wird nicht nur auf dem Rasen, sondern auch in den Chefetagen, in Verhandlungszimmern oder meinetwegen auch in den Fanblocks.

Faktisch ist das doch so.

Genau. Darum geht es mir auch gar nicht. Es ist nur so: Auf dem Platz versucht man die Regeln mit allen Mitteln durchzusetzen, Stichwort Videobeobachtung. (Ist aber ein anderes Thema.) Und außerhalb des Rasens gibt es keine Regeln. Kern jedes Vereins ist immer noch der Spielerkader und jedes Kind weiß, dass es bei seiner Zusammensetzung nicht um „echte Liebe“ geht, sondern um Kohle. Und wenn irgendein Hoffenheim-Wald-Und-Wiesen-Verein den richtigen Sponsor findet, kann er in der Bundesliga oben mitspielen. Egal ob Brausekönig oder Ölscheich, es gibt halt Leute, die für ihr Spielgeld nackte Männerbeine laufen sehen wollen. Da wird völlig ungeregelt Kohle in die Vereine gepumpt und wenn ein Verein keinen Geldgeber hat, wird er auf Dauer abgehängt.

Aber bei den Borussen oder Bayern gibt es doch solche Großinvestoren nicht.

Ist richtig. Beide agieren selbst gut am Markt und der BVB hat sich einen Teil seines Spielgelds von Aktionären geholt. Aber stellen sie sich vor, beide Vereine würden zwei, drei Jahre mal nicht europäisch spielen. Sie wären weg vom Fenster oder würden sich dann auch nach irgendwelchen Großinvestoren umschauen müssen. Auch hier scheißt der Teufel auf den großen Haufen. Wo schon was ist, kommt schnell noch mehr dazu: Fernsehgelder, Merchandising – der ganze Scheiß. Kleine Vereine haben da auf Dauer keine Chance.

Und sie sagen, da fehlen die Regeln.

Weiß nicht ob man das überhaupt wieder einholen kann, aber ein erster Schritt wäre die Deckelung der Vereinsetats nach oben. Ob ein Verein für 150 Millionen fünf Spieler kauft oder nur einen, ist mir letztlich egal – aber die Gesamtsumme sollte schon begrenzt sein. Nur so könnte man wieder halbwegs gerechte Verhältnisse herstellen. Aber das Kapital zu bändigen, ist, wie wir aus anderen Zusammenhängen wissen, nicht ganz so leicht.

Trotzdem gehen sie weiter ins Stadion?

Klar. Mir ist die Popkultur sowieso viel näher als der Sport.

Kein Fußballromantiker?

Zum Glück nicht. Wenn ich den Fußball als Sport sehen würde, müsste ich mir Spiele in der vierten Liga und abwärts anschauen. Aber mir geht es um das Spiel an sich. Als Fan muss man sich schon positionieren, auf einer Seite stehen, keine Frage. Sonst macht es keinen Spaß. Im Zentrum steht aber das Spiel. Und, seien wir ehrlich, wirklich gute Spiele sieht man nur im Profifußball.

Beim nächsten Heimspiel des BVB sind sie also dabei?

Klar.

Ja, denn. Vielen Dank. Was machen sie jetzt? Musikhören?

Ja, vielleicht. Aber ganz bestimmt keine BVB-Hits.