Die Röchte-Telefonate (14)

Es ist gelungen, den mittelwestfälischen Autor Antonius Röchte für eine Reihe von Telefoninterviews zu gewinnen. Sie werden hier in loser Folge veröffentlicht.

 

jojo: Tag, Herr Röchte, wir hatten ein Interview vereinbart. Passt es grad?

Antonius Röchte: Nein, aber legen sie los. Außer sie wollen über diese Groko reden. Dass die SPD da mitmacht, war klar und mehr ist dazu nicht zu sagen.

Na gut, dann reden wir über die Linke.

Welche Linke? Meinen sie die Partei, die Linke allgemein oder etwa die sogenannten Linken in der SPD?

Warum „sogenannte“?

SPD und „links“ hat sich eigentlich immer schon ausgeschlossen, nicht erst seit Schröder. Ich verstehe ja die Sorgen der Jusos und anderer um ihre Partei. Man hängt halt dran. Sie haben kapiert, dass es den ihren Granden nur um Pöstchen geht, aber mit Linkssein hat das erst mal nichts zu tun.

Was wäre denn links?

Links ist alles, was den Kapitalfluss von unten nach oben umkehrt oder wenigstens aufhält.

So einfach?

Erstmal ja.

Und die Antifa?

Sollte das auch im Sinn haben. Außerdem sollte Antifaschismus und Antirassismus nicht nur Thema der Linken sein sondern bürgerliche Normalität.

Da sagen sie was …

Dass dem nicht so ist, weiß ich selbst. Genau da sehe ich die Gefahr. In absehbarer Zeit werden sich die Bürgerlichen, Herr Spahn und Co, mit den AfD-Nazis zusammentun. Aber wir wollten ja über die Linke reden.

Vielleicht doch noch mal zur SPD. Da gibt es ja jetzt diese „Progressive Soziale Plattform“.

Habe ich gestern auch gehört. Das schein doch erstmal eine Initiative zur Rettung der SPD zu sein. Finde ich ok. Ohne Sozialdemokratie sieht es im Kapitalismus ganz düster aus und wenn die SPD auf diesem Wege wieder sozialdemokratisch würde und mithelfen, den Kapitaltransfer von unten nach oben ein wenig entgegenzusetzen, wäre das ja schon mal was. Aber eine Massenbewegung wird das nicht.

Auch Lafontaine und Wagenknecht haben sich ja für eine stärkere Zusammenarbeit der linken Kräfte stark gemacht.

Alles gut und schön. Wobei ich allerdings meine, dass solche Leute, dazu gehört auch dieser Dehm, in einer linken Bewegung nichts zu suchen haben, allein aufgrund ihrer nationalistischen Positionen. Solange die Linke – ich meine jetzt die Partei – solche Typen mit sich rumschleppt, wird das alles nichts werden.

Wie stellen sie sich denn eine linke Massenbewegung vor?

Zuerst einmal muss sie realistische Ziele formulieren. Der Kapitalismus ist in absehbarer Zeit nicht abzuschaffen, der Drache will weiter gefüttert werden. Dies sollte jeder Linke klar sagen und keine antikapitalistischen Fantasien befördern. Allerdings kann der Drache im Zaum gehalten und so vielleicht viel Unheil vermieden werden. Wie gesagt, eine ernstzunehmende Linke muss sich internationalen Kapitalflüssen entgegenstellen. Schauen sie, wieviel Leute allein durch Waffenproduktion, -handel und -einsatz enteignet werden. Wenn eine Linke da nicht ansetzt, ist sie keine. Auf nationaler Ebene muss sie die unsäglichen Hartz-4-Gesetze rückgängig machen und die allgemeine Verarmung stoppen. Vielleicht hilft ein Grundeinkommen, keine Ahnung.

Und wie sollte sich so eine linke Massenbewegung organisieren?

Mit dem Begriff „Massenbewegung“ wäre ich ja vorsichtig, aber richtig ist schon, dass es nicht um eine Partei mit den üblichen Schwätzern und Pöstchenjägern gehen kann.

Sondern?

Aus meiner Sicht müsste eine, ich nenne sie mal „Neue Linke“, auf drei Säulen basieren: Zuerst einmal sollte sie praktische Hilfe für Arme leisten, also konkrete soziale Arbeit für die Abgehängten. Das muss nicht neu erfunden werden, gibt es alles schon. Vielleicht ist der gemeinsame Aufruf des Bündnisses aus 30 sozialen Organisationen zur offensiven Sozialpolitik „Armut jetzt bekämpfen!“ ein Schritt zur Zusammenarbeit. Also, da muss die Basisarbeit geleistet werden. Wenn die Leute den konkreten persönlichen Nutzen nicht erkennen, werden sie keiner Bewegung hinterherrennen. Außerdem braucht es die Straße. Heißt, die Antifa und die jungen Demogänger müssen ins Boot geholt werden.

Wird aber schwierig …

Klar. Wer sagt, dass es leicht ist? Da gibt es viel berechtigtes Misstrauen gegenüber den Bürgerlichen, den Sozialorganisationen und vor allem den Parteien. Wie das zu lösen ist, kann ich ihnen auch nicht sagen. Nur, ohne den Druck von der Straße und der antifaschistischen Aktion läuft nichts. Wobei man auch nicht in die Gewaltfalle tappen darf, wie uns die RAF gelehrt hat. Ganz schwieriges Thema.

Sie sprachen von drei Säulen.

Ja, da kommt jetzt das ins Spiel, was sich bei der SPD, den Linken und vielleicht auch bei den Grünen tut. Die Bewegung braucht auf jeden Fall einen parlamentarischen Arm mit ausreichend Sitzen in allen Parlamenten und dem Ziel der Regierungsbeteiligung. Also Politprofis, die das, was an der Basis und auf der Straße formuliert wird, in die Parlamente tragen und auch in Gesetze gießen.

Zusammengenommen fordern sie also ein Bündnis aus sozialen Organisationen mit der Antifa und einem starken parlamentarischen Arm.

Wenn sie so wollen. Obwohl, was heißt fordern? Ich halte es für dringend geboten.

Offen gesagt kommt mir das alles recht bekannt vor.

Inwiefern?

So agiert doch die Rechte. Da gibt es die Basis: Jugendarbeit, Kameradschaften, Festivals, soziale Arbeit etc., dann den Straßenmob: Pegida und Co. und dann, mit der AfD, eine politische Vertretung der Nazis, Rassisten und Kriminellen in den Parlamenten.

Die schon bald in die Regierungsverantwortung kommen kann. Sie haben Recht, die Rechte ist da weiter. Daher rührt auch ihr Erfolg. Ist ja auch alles nicht neu. Auch die Grünen haben mal so angefangen.

Und halten sie ein solches Bündnis für realistisch?

Keine Ahnung, bin eher skeptisch. Fragen sie mich in drei Jahren noch mal.

Mache ich. Danke für das Gespräch. Und was machen sie heute noch so?

Irgendwas Eskapistisches, vielleicht zum Fußball gehen. Ist ja sonst nicht auszuhalten.