Die Röchte-Telefonate (5)

Es ist gelungen, den mittelwestfälischen Autor Antonius Röchte für eine Reihe von Telefoninterviews zu gewinnen. Sie werden hier in loser Folge veröffentlicht.

 

jojo: Tag, Herr Röchte, wir hatten ein Interview vereinbart. Passt es grad?

Antonius Röchte: Nein, aber legen sie los.

Was machen Sie denn grad?

Musikhören.

Dann lassen sie uns doch über Musik reden.

Wenn ihnen nichts anderes einfällt.

Was hören sie denn gerade so?

50 Song Memoir von den Magnetic Fields.

Oh, dann rufe ich in zweieinhalb Stunden noch mal an.

Nein, ist o.k. Bin fast durch.

Und?

Was, und? Erwarten sie jetzt eine spontane Plattenkritik?

Warum nicht? Die Platte ist ja in allen Medien gehypt worden. Was sagen sie?

Ja, das Marketing stimmt. Aber ehrlich gesagt, ich hab ihren Gebrauchswert noch nicht erkannt.

Was meinen sie denn mit Gebrauchswert?

Schlicht gesagt, ich weiß nicht, was ich mit der Platte anfangen soll. Zum Nebenbeihören taugt sie nichts, Tanzen kann man bei gutem Willen nur zu ein paar Stücken, im Auto möchte ich sie auch nicht hören und zum Intensivhören auf dem Sofa oder über den MP3-Player ist sie viel zu langatmig.

Habe irgendwo gelesen, dass es sich um ein Liedermacheralbum handelt.

Mag sein. Die Texte sind ja wohl wichtig und soweit ich sie verstehe, auch ganz lustig. Aber ich finde Texte in der Popmusik ziemlich überbewertet und wer setzt sich schon hin, um sich zweieinhalb Stunden das Gegrummel dieses Stephin Merritt anzuhören?

Sie vielleicht?

Ja, stimmt. Warum eigentlich? Denke, weil ich seine Stimme mag. Aber seine besten Stücke hat er auf 69 Songs veröffentlicht. Da führt kein Weg dran vorbei.

Noch mal zum Gebrauchswert. Sie meinen also Popmusik muss einen Gebrauchswert haben? Ein marxistischer Begriff.

Meinetwegen. Aber wenn ich etwas kaufe, will ich auch was damit anfangen können. Genuss auf dem Sofa, Entspannung, Tanzen, Erkenntnis, was weiß ich.

Schon mal was von autonomer Kunst gehört?

Ich spreche jetzt aus reiner Kundensicht. Natürlich hat Stephin Merritt das Recht, seine Ideen nach seinem Gusto umzusetzen. Und konzeptionell finde ich die Idee, jedem Lebensjahr einen Song zu widmen, ja auch interessant. Aus Sicht des Künstlers ist das ein Statement, völlig o.k. Hatte mir nach dem Wirbel um die Platte aber mehr versprochen. Und sie hatten mich ja nach meiner Meinung gefragt.

Ist denn heutzutage nicht das Marketingkonzept unmittelbarer Bestandteil eines künstlerischen Werks?

Mag sein, da sagen sie was. Kunst im Kapitalismus. Pop halt. Hat auch funktioniert, habe die Platte ja gekauft. Ihren Tauschwert von 30 € habe ich bei Saturn hingelegt. Aber noch mal: Das sagt gar nichts über ihren Gebrauchswert aus.

Und was machen Sie jetzt damit?

Erst mal zur Seite legen. Denke, ich hör sie mir in einem halben Jahr noch mal in Ruhe an, wenn das mediale Nebengetöse verklungen ist. Dann ziehe ich mir ein paar schöne Stücke, die es ja auch gibt, z.B. das, in dem es um Jefferson Airplane geht, herunter und packe sie auf eine Festplatte, die später mal mit in die Seniorenresidenz geht. Viele Stücke werden das aber wohl nicht werden. Aus heutiger Sicht. Aber vielleicht ändert sich das ja noch.

Und was hören sie als nächstes?

Volunteers von Jefferson Airplane.

Danke für das Gespräch.