Die Röchte-Telefonate (3)

Es ist gelungen, den mittelwestfälischen Autor Antonius Röchte für eine Reihe von Telefoninterviews zu gewinnen. Sie werden hier in loser Folge veröffentlicht.

 

jojo: Tag, Herr Röchte, wir hatten ein Interview vereinbart. Passt es grad?

Antonius Röchte: Nein, aber legen sie los.

Die NPD ist nun nicht verboten worden. Richtige Entscheidung?

Bin kein Jurist, aber aus meiner Sicht: Klares Nein.

Aber …

Nun bitte nicht die Leier, dass es bei einem Verbot keinen Nazi weniger geben würde und sich diese Typen dann schnell woanders zusammenrotten.

Ist doch so.

Klar ist das so. Aber darum geht es doch gar nicht.

Sondern?

Muss ich das wirklich hier beantworten? Also: Es geht schlicht und einfach darum, den Weg zu öffentlichen Mitteln, zu Steuergeldern zu verbauen. Sobald ein Nazi in ein Parlament – ob in der Kommune, im Land oder im Bund – einzieht, kassiert der ab und seine Partei kriegt Wahlkampfkosten erstattet, Fraktionsräume gestellt und was weiß ich. Und sie glauben doch nicht, dass die die Kohle nur für Druckerpapier ausgeben.

Ja schon, aber in einem demokratischen Staat darf doch jeder …

Mitspielen, auch wenn er die Regeln nicht akzeptiert? Genau darum geht es. Stellen sie sich vor, Bayern München spielt ein Freundschaftsspiel gegen, na sagen wir mal, den FC Paderborn und nach kurzer Zeit fangen die Paderborner an, Spieler um zu treten, den Ball mit der Hand zu spielen und alles nieder zu rennen. Der Schiedsrichter reagiert nicht und ein Großteil des Publikums findet das toll und grölt für Paderborn.

Schönes Freundschaftsspiel. Und ein bisschen an den Haaren herbeigezogen, oder?

Im Sport vielleicht, in der Politik scheint das aber zu funktionieren. Da dürfen Typen ein Spiel mitspielen, die ganz klar durchblicken lassen, dass sie die Regeln nicht akzeptieren und im Fall ihres Sieges das Spiel sofort abschaffen würden.

Nun nimmt das Verfassungsgericht aber an, dass sie das Spiel sowieso nicht gewinnen können.

Können sie zurzeit nicht, klar. Aber was ist mit dieser AfD?

Die wollen sie auch verbieten?

Mich fragt ja ernsthaft keiner. Aber vielleicht ist Verbieten wirklich nicht der richtige Weg. Eine Partei ist schnell gegründet und die Verfassungsrichter haben wohl auch noch etwas anderes zu tun, als sich den ganzen Tag mit Parteiverboten zu befassen. Aber die Latte, um am Spiel teilzunehmen, muss höher gehängt werden.

Was heißt das?

Das heißt ganz schlicht, dass die demokratischen Parteien sich auf einen verbindlichen Kodex verständigen, nach dem Parteien sofort von Wahlen ausgeschlossen werden, wenn sie demokratische Grundprinzipien nicht einhalten, Naziverbrechen verharmlosen, andere diskriminieren etc. Auch wenn nur einzelne Parteimitglieder – wie jetzt dieser Höcke – das tun und nicht sofort zurückgepfiffen werden.

Und wer soll das kontrollieren? Etwa die Parteien selbst?

Die Parteien sind Mitbewerber und damit wohl nicht die richtige Instanz. Mal ganz davon abgesehen, dass sich die Parteien sowieso zu viel Macht in diesem Staat verschafft haben. Ist aber ein anderes Thema.

Also doch das Bundesverfassungsgericht.

Vielleicht müsste es ein Gremium aus zum Teil gewählten, zum Teil bestimmten und vielleicht zum Teil auch zugelosten Personen geben, die diesen Job übernehmen.

Sowas wie Demokratiewächter also?

Das klingt mir zu stark nach Religionswächter. Aber in die Richtung geht es. Vielleicht ist die parlamentarische Demokratie, wie wir sie jetzt noch haben, nicht das Ende der Fahnenstange. Vielleicht gibt es eine Gesellschaftsform, die uns glücklicher macht. Kann sein. Aber so lange die nicht in Sicht ist, müssen wir das Erreichte erhalten. Mit allen Mitteln.

Ein wirklich erhebendes Schlusswort. Warum haben sie sich nicht um das Amt des Bundespräsidenten beworben?

Auch da hat mich keiner gefragt.

Danke für das Gespräch.

Die Röchte-Telefonate (2)

Es ist gelungen, den mittelwestfälischen Autor Antonius Röchte für eine Reihe von Telefoninterviews zu gewinnen. Sie werden hier in loser Folge veröffentlicht.

 jojo: Tag, Herr Röchte, wir hatten ein Interview vereinbart. Passt es grad?

Antonius Röchte: Nein, aber legen sie los.

In Finnland ist gerade ein bedingungsloses Grundeinkommen eingeführt worden. Was …

Halt. Stopp. In Finnland ist kein bedingungsloses Grundeinkommen eingeführt worden. Dort gibt es seit Anfang des Jahres einen sozialliberalen Versuch mit 2.000 Stützeempfängern, die jetzt statt Arbeitslosengeld 560 Euro. bekommen, die sie nicht extra beantragen müssen und zu denen sie dazuverdienen können so viel sie möchten. Die Leute sind ausgelost worden und konnten sich nicht dagegen wehren, als Versuchskaninchen gebraucht zu werden.

Und was halten sie davon?

Hab grundsätzlich nichts gegen soziale Experimente. Ist aber ärgerlich, dass das als Versuch der Einführung eines Grundeinkommens verkauft wird. Sie sind ja wohl auch drauf reingefallen. Und man hätte die Leute schon fragen sollen.

Aber es enthält doch …

Ja, es enthält winzige Spuren der Idee eines Grundeinkommens. Mehr nicht. Es geht wohl in erster Linie darum, herauszubekommen, ob die Leute zusätzlich arbeiten oder nicht. Ich bitte sie. 560 Euro. In Finnland. Wer muss da nicht was dazuverdienen. Man wird das Experiment in zwei Jahren erfolgreich abschließen.

Und dann?

Keine Ahnung. Wahrscheinlich das Arbeitslosengeld abschaffen, den Leuten 560 Euro in die Hand drücken und sie ansonsten dem Markt überlassen. Und ein paar Bürokraten einsparen. Denke, die wollen rauskriegen, wie man Leute dazu bringt, Teilzeitjobs oder Jobs mit wenig Kohle anzunehmen und so ihr Sozialsystem entlasten.

Was halten sie denn generell vom Bedingungslosen Grundeinkommen. Heinrich Alt, bis 2015 Mitglied im Vorstand der Bundesagentur für Arbeit, hält es ja für Teufelszeug und meint in der Süddeutschen, es verstoße gegen die Menschenwürde.

Das sagt so einer? Gegen die Menschwürde verstoßen Hartz4 und alle Schikanen die damit verbunden sind – und von seinem Amt immer wieder gerne eingesetzt werden. Aber das ist ein anderes Thema. Dass solche Leute, auch der ganze SPD- und Gewerkschaftsklüngel, gegen das BGE sind, wundert nicht. Sie hängen am alten Ethos von Arbeit. Vollbeschäftigung über alles. Wer morgens nicht brav aus dem Haus geht, ist kein vollwertiger Bürger. Aber das funktioniert doch nicht. Schon länger nicht mehr.

Sie sprechen sich also für ein BGE (jetzt benutze ich auch mal die Abkürzung) aus?

Habe ich nicht gesagt. Ich halte seine Einführung für nicht realistisch und weiß nicht, ob es sich lohnt, sich dafür einzusetzen. Dazu bin ich zu alt.

Aber generell ist es eine gute Idee?

Sehen sie, über das Grundeinkommen haben sich schon viele kluge Leute Gedanken gemacht, ist ja keine ganz neue Idee. Ich glaube, ein Bedingungsloses Grundeinkommen müsste folgende Bedingungen (erkennen sie den Witz?) erfüllen: Erstens: Es müsste auskömmlich sein, also hier in Deutschland mindestens 1.200 – 1.500 Euro für jeden Erwachsenen, Kinder vielleicht die Hälfte. Zweitens: Es müsste wirklich jede und jeder – vom Obdachlosen bis Frau Merkel und Herrn Winterkorn – bekommen, einfach so, von einem Rechner, ohne Prüfung und Verwaltung. Drittens: Jedes neben dem BGE erzielte Einkommen – egal wie hoch – wird zu 50 Prozent besteuert. Auch von einem Rechner, ohne weitere Prüfung. Viertens: Alle bisherigen Sozialleistungen – auch die Rente – werden abgeschafft. Und natürlich auch alles was da an Verwaltung und sogenannter Dienstleistung dranhängt. Fünftens müssten wohl die Grundversorgungsbetriebe (Strom, Wasser, Verkehr, Internet …) verstaatlicht werden.

Aber das wäre ja …

Ja, sie haben Recht. Das wäre Sozialismus. Und hätte nichts mit dem zu tun, was da grad in Finnland ausgetestet wird. Aber sie sehen schon: Es lässt sich nicht realisieren. Scheitert schon an der Frage, wer denn eigentlich berechtigt wäre, ein BGE zu bekommen. Alle Deutschen? Alle EU-Bürger? Alle? Stellen sie sich den Zulauf vor, den ein Staat bekäme, der ein wirkliches BGE einführt? Grenzen dicht machen? Wollen wir doch auch nicht. Allein daran wird es scheitern. Ein BGE für alle bedeutet, für wirklich alle, weltweit. Schöne Utopie. Aber nicht wirklich realistisch. Schon deshalb brauchen wir nicht weiter drüber nachdenken. Auch die gern gestellte Frage, ob mit BGE denn noch irgendjemand arbeiten würde, ist damit absolut zweitrangig.

Würden sie sie für unsere Leser trotzdem beantworten?

Als Realist, der nicht die beste Meinung von seinen Zeitgenossen hat, würde ich vom Worst Case ausgehen und annehmen, dass sich erstmal alle auf die faule Haut legen wollen. Das wird nicht ganz so sein, aber besser isses. Das bedeutet, dass die Maschinen roboten müssen und der Gewinn nicht von wenigen Kapitalisten abgezogen werden darf. Für lebenswichtige Tätigkeiten in der Energieversorgung, Müllabfuhr, Bahn etc. würde man wohl zum einen eine bessere Bezahlung, zum anderen aber auch sowas wie eine zeitweise Zwangsverpflichtung (wie früher Bundeswehr und Zivildienst) einführen müssen. Für alle. Ich sag ja: Sozialismus. Außerdem ist ja vieles, was zurzeit so produziert und verwaltet wird, einfach über. Ohne jetzt auf Öko machen zu wollen, aber …

Ich sehe schon, im Grunde ihres Herzens …

Im Grunde meines Herzens bin ich Realist und denke, dass sie grad meine Zeit verschwendet haben.

Trotzdem danke für das Gespräch.

Jo.

Die Röchte-Telefonate (1)

 

Es ist gelungen, den mittelwestfälischen Autor Antonius Röchte für eine Reihe von Telefoninterviews zu gewinnen. Sie werden hier in loser Folge veröffentlicht.

 

jojo: Tag, Herr Röchte, wir hatten ein Interview vereinbart. Passt es grad?

Antonius Röchte: Nein, aber legen sie los.

Kölner Silvesternacht. Was sagen sie dazu?

Nichts. Sie meinen doch die letzte, nehme ich an. Kann ich nichts zu sagen.

Dann halten sie das Verhalten der Polizei also nicht für rassistisch?

Hab ich das gesagt? Sicher ist Racial Profiling rassistisch und dann wohl auch eine Straftat.

Aber?

Sehen sie, wenn ich ihnen den Arm auf den Rücken drehe ist das Körperverletzung und eine Straftat. Wenn ich das tue, weil sie grad einen Wehrlosen verprügeln, ist das auch Körperverletzung aber ein Richter würde das wohl nicht als Verbrechen werten.

Das heißt?

Das heißt, dass ich zu Köln nichts sagen kann, weil ich nicht weiß, welche schlimmeren Verbrechen verhindert wurden. Wüsste ich, dass es eine Vergewaltigung war, würde ich das Verhalten der Polizei für richtig halten. Geht es nur um Handydiebstähle, dann war es völlig unangemessen und illegal.

Vergewaltiger oder auch Handydiebe sind doch immer einzelne. Darf man dafür eine ganze Gruppe aufgrund ihres Aussehens festsetzen?

Nein. Das sage ich doch. Es ist Rassismus. Punkt. Halte eine Vergewaltigung aber für ein schlimmeres Verbrechen als Racial Profiling. Wenn die Polizei ehrlich wäre, würde sie sagen: Ja, es handelte sich um Racial Profiling, wir wissen, dass das nicht rechtmäßig ist aber wir sahen uns aufgrund unserer Lageeinschätzung zu diesem ungesetzlichen Handeln gezwungen. Tut uns leid, aber wir würden es immer genauso wieder tun.

In der linken Community wird das anders gesehen.

Keine Ahnung. Mag sein. Wir wünschen uns alle eine ideale Welt ohne Gewalt und Verbrechen. So läuft es aber nicht.

Haben sie Mitleid mit den Polizisten?

Nein, sie haben sich den Job ausgesucht. Keiner wird in eine Uniform gezwungen. Und einen gewissen Kaderrassismus wird es geben, auch oder gerade bei der Polizei. Deshalb kann ich letztlich nicht beurteilen, was zu der Aktion geführt hat. Aber das sagte ich schon.

Dann noch eine andere Frage: Welches war ihre Platte 2016?

Luke Haines – Smash The System.

Danke für das Gespräch.